7 Jahre
fast 7 Jahre ist es her...am 27.12.2015 habe ich meine letzte Bestrahlung bekommen...die letzte Chemo gab es am 29.10.2015...seit November 2015 bin ich in einer Antihormontherapie...7 Jahre habe ich überlebt...und jeden Tag werde ich daran erinnert...ist da doch die geschädigte Haut durch die Bestrahlung...meine linke Brust zeigt deutliche Spuren, neben seinen Operationsnarben...
und dann ist da diese eine Narbe...auf der rechten Brustseite...unterhalb des Schlüsselbeins...im Sommer 2016 habe ich mir meinen Port raus nehmen lassen...ich bin mit ihm nie warm geworden, habe ihn immer als Fremdkörper betrachtet...es war für mich sehr wichtig ihn wieder entfernen zu lassen...zurück blieb diese Narbe...eine Narbe die wohl nur erkennt, wer weiß das sie da ist...eine Narbe die eigentlich fast immer durch Stoff verdeckt ist...aber ich sehe sie jeden Tag...und im Gegensatz zu meinen Narben auf der linken Brust, hasse ich diese regelrecht...warum kann ich nicht genau sagen...jeden Morgen betrachte ich sie vor dem Spiegel...jeden Morgen stört sie mich aufs Neue...ich wollte sie eigentlich mit einem Tattoo verdecken...da kann mir aber keiner so richtig sagen wie das Narbengewebe reagieren wird...dann hatte ich eine andere Idee...sie bewußt lassen wie sie ist und das Tattoo drumrum anordnen...ja damit hätte ich mich abfinden können...und dann kam Covid und alle Studios waren erstmal zu...nun sind sie wieder offen und ich überlege neu, ob ich diesen Schritt noch mal gehe...stören tut sie nach wie vor...
seit 7 Jahren ist jeder Tag für mich eine Herausforderung...
Schmerzen in Muskeln und Gelenken...Schmerzen durch Neuropathie in den Füssen...Schmerzen durch Lymphödem in der Brust...unendliche Müdigkeit...Chemobrain mit Konzentrationsstörungen und Vergesslichkeit...Angst...und Schlafstörungen...
all diese Dinge machen mich aus...lassen mich sein wie ich bin...aber, ich bin so viel mehr...ich bin "Das Leben" - Liebende...Camperin...Leseratte...ich bin Mama und Komplizin...bin eine Kämpferin - jeden Tag aufs Neue...und auch eine Überlebende...ich bin Undercovergärtnerin und Musikinhalierend...
und die Mischung aus allem hat mich wohl zu dem Menschen gemacht, der ich heute bin...ein Mensch der mich oft noch an diesen Menschen von vor 7 Jahren erinnert...der aber auch unwahrscheinlich gezeichnet wurde - in den letzten 7 Jahren...
manchmal sind so unendlich viele Gedanken in meinem Kopf...Gedanken die ich gar nicht sortiert bekomme...
manchmal schaue ich mir Fotos an, die vor der Zeit X aufgenommen wurden...und manchmal erkenne ich mich darauf selbst nicht wieder...einfach weil ich darauf so unbeschwert bin...so anders...
und dann denke ich darüber nach wer ich eigentlich bin...und das ich mit dem was ich sehe auch zufrieden bin...irgendwie...und das ich ja gar nicht so wäre wie ich bin, wenn das Jahr 2015 nicht über mir herein gebrochen wäre...und das wäre doch auch irgendwie schade...denn hat mich diese Zeit doch einiges gelehrt...vor allem Achtung vor meinem eigenen Leben zu haben...
und wenn ich mal wieder das Gefühl habe, das nichts mehr geht...das ich am Boden liege...dann ist da dieser Mann...mit ihm war es nicht immer ganz einfach...mit mir aber auch nicht...aber wir haben es geschafft...wir haben unseren Weg gefunden...wir sind irgendwie gemeinsam durch scheiß Zeiten gegangen - auch wenn weglaufen einfacher gewesen wäre...
und diese Zeit vor 7 Jahren hat uns noch mal enorm zusammen geschweißt...seit dem gibt es nichts was sich dazwischen drängen könnte...wir haben gesehen, was so eine Krankheit mit einer Beziehung machen kann - wie viel Angst auf einmal auf beiden Seiten unausgesprochen stehen kann...und ich bin dankbar für jeden gemeinsamen Tag...
und wenn es besonders scheiße ist, dann ist da seine Hand...sie hilft mir auf...hält mich gerade...sie gibt mir Mut...und vor allem Hoffnung darauf, das alles gut wird...sie sorgt dafür das ich sein kann, wie ich sein möchte...und sie gibt mir den Halt, um auch mal besondere Sprünge zu wagen...um mich zu versuchen...und dafür bin ich einfach nur dankbar...seine Hand ist es, die meine Narben streichelt...die ihnen die Düsternis nimmt...seine Hand sorgt dafür das ich mich sicher fühle...das ich nicht meine Weiblichkeit verliere...das ich mich nicht verliere...seine Hand erdet mich immer wieder...seine Hand macht mein Leben zu etwas besonderem...die Kriegerin auf seinem Oberarm steht symbolisch dafür...für alles was ich bin...er gibt mir das Gefühl von zu Hause zu sein...von meinem Hafen...
ich möchte von niemanden Mitleid...es gibt genug Tage an denen ich mich selbst beweine...mich nach einem unbeschwerten Tag sehne...und dann fallen mir wieder die Worte meiner Freundin ein "das Leben ist nichts für Feiglinge"...und dann lächle ich und weiß, ich werde auch diesen Tag wieder nehmen...egal was er für mich bereit hält...