zehn Monate
Ja, was will ich schreiben? Möchte ich wirklich meine Gedanken der letzten Tage teilen? Eigentlich habe ich nur funktioniert…wie fängt man solch einen Beitrag an? Wo ist der Einstieg? Gibt es überhaupt einen?
eigentlich gibt es keinen…und deshalb werde ich einfach Dinge erzählen die ich in den letzten Tagen handschriftlich für mich festgehalten habe…
Ich habe in den letzten Tagen sehr viele intensive Gespräche mit meiner Ma geführt…
hm klingt irgendwie auch komisch…also doch anders…ich erzähl einfach ein bisschen von den letzten Tagen…
am 09.02.17 habe ich angefangen einzelne Dialoge die ich mit meiner Ma führte, als Gedächtnisprotokoll aufzuschreiben…vielleicht weil ich schon ahnte was ein paar Tage später zur bitteren Wahrheit werden sollte…
unsere letzten gemeinsamen Tage waren angebrochen…sie hat sich auf ihre ganz persönliche Reise gemacht und ich habe sie, so wie ich es lange im Vorfeld versprochen hatte, ein Stück begleitet…
tja das Leben…es ist immer im fluss…es fliesst einfach weiter…wir können weinen und zetern…am Ende nutzt das überhaupt nichts…
meine Freundin Uli sagte vor ein paar Tagen „am Ende einer jeden Geschichte steht immer der Tod“…war die schon immer so schlau? Aber sie hat recht…denn am Ende halten wir uns alle an einen Plan…Eltern gehen vor ihren Kindern…das ist so richtig…und das ist gut so…ich bin zutiefst traurig und es schmerzt so sehr – aber das zeigt wohl das meine Ma über die Jahre alles richtig gemacht hat…
10 Monate – 10 Monate hat uns diese beschissene Krankheit geschenkt…10 Monate haben wir uns mit der Therapie erkauft…am Ende, viel zu wenig…10 Monate in denen wir viel erlebt haben, und am Ende doch zu wenig…
ich wusste immer das der Tag irgendwann kommt…10 Monate habe ich irgendwie für mich darauf hingearbeitet um jetzt verstehen zu können was passiert. Ich merkte das ich die letzten Tage immer ruhiger wurde…meine eigenen egoistischen Gefühle hinten anstellte…mein Ziel? meine Ma sollte in Ruhe und Würde und ohne Schmerzen gehen können…
eine letzte Nacht habe ich neben meiner Ma geschlafen…oder viel mehr gewacht…immer wieder suchte ich ihre Hand…verwob unsere Finger miteinander…
der Morgen bricht an…das Leben geht einfach so weiter…es macht keine Pause…unaufhaltsam schreitet es voran…am Himmel ein Streifen Morgenrot…Vögel die zwitschern…eine Ente die aufgeregt erzählt…
an diesem Morgen denke ich zum ersten mal seit langem wieder mal an meinen Hund Asix…ich denke an meine UrOma…die die irgendwie immer wieder dann in einem Gefühl auftauchte, wenn der Schmerz nach ihr am grössten wurde…und so wird auch meine Ma immer für mich da sein – in meinen Gedanken und Erinnerungen lebt sie weiter…
am Vormittag lasse ich meine Eltern allein…ich muss ein bisschen raus..ich muss frische Luft bekommen, nach einer Nacht mit nur wenig Schlaf…meinMann und ich gehen spazieren, der Himmel reisst auf…die Sonne tritt hervor und strahlt auf uns herab…irgendwie war der Moment wunderschön und ruhig…
und kurz danach erhielt ich diese drei vernichtenden Worte…
mein erster Gedanke? Ich war nicht da…mein zweiter Gedanke? Vielleicht sollte ich auch nicht da sein…es war der Moment meiner Eltern…
und unser Leben geht einfach weiter…das Leben meiner Ma ist im Meer angekommen…
zwischen uns war alles geklärt…alle Worte ausgesprochen…sie durfte ganz in Ruhe in ihrem eigenen Tempo gehen…wir haben es geschafft ihr diese Ruhe zu vermitteln…
ein letzter Blick auf sie…ein letzter Kuss…
die ersten 48h haben wir alle zusammen verbracht…gemeinsam geweint und gelacht…und geredet…gern wäre ich länger bei meinem Dad geblieben…wenn ich könnte würde ich ihn schützen…aber das kann ich nicht…irgendwann muss der Moment kommen wo wir alle allein sein müssen…wo wir allein trauern müssen…wo wir allein wieder aufhören müssen zu weinen…wo wir allein anfangen müssen über Gewesenes zu lächeln…wo wir allein wieder aufstehen müssen…
es ist okay eine Weile liegen zu bleiben…zu trauern
an meinem kleinen Finger der linken Hand trage ich ab sofort den Ehering meiner Ma…mein Dad hat ihn mir geschenkt und ich bin dafür so unendlich dankbar…