Zurück bleibt gähnende Leere
26 Jahre ist es her, da zog es mich nach Bremen - 1996...
ich wollte garnicht so lange bleiben...aber irgendwie war es schön...
so familiär...besonders...
in diesem großen Haus, in dem aber jeder jeden kannte und auch jeder jeden grüßte...
über die Jahre wurde es mein zweites Zuhause...lernte ich dort meinen Mann kennen..war dort in Behandlung...musste dort mein erstes Kind gehen lassen und durfte später mein zweites Kind begrüßen..verlor meine Ma...und begleitete meinen Dad durch eine schwere Zeit...
knüpfte Freundschaften...sah Menschen kommen und gehen...
irgendetwas war immer...und ausgezeichnet war alles mit dieser hohen Menschlichkeit...
1999 oder 2000 nahm ich auf meiner alten Station die Zweitleitungsstelle an...ging später aus meiner Lieblingsfachrichtung Chirurgie in die Gynäkologie...konnte wachsen und so auch irgendwann die Leitungsstelle auskleiden...
ich habe diese Position für mich nie als etwas besonderes betrachtet...war ich doch immer nur so gut wie mein Team...wie meine Leute...und ich kann sagen "ich hatte die Besten"...egal wo sie her kamen...welche Geschichten sie mitbrachten...jede ist für sich Besonders...jede hat enorm viele Stärken, wenn man denn zuläßt, dass sie auch da sein dürfen...das sie wachsen können...für mich war das immer ganz wichtig...die Leute sollten sich entfalten können...alles in einem gesteckten Rahmen, den wir einhalten müssen, aber mit ausreichend Freiheit...jeder durfte fliegen und wurde im Zweifel aufgefangen...jeder durfte sein Glück, aber auch seine Traurigkeit mitbringen...
wir hielten uns gegenseitig...gaben uns in dunklen Momenten Kraft...
nun geht diese Zeit für mich zu Ende...schon seit gut zwei Jahren habe ich das Gefühl, dass ich so nicht weiter machen möchte...ich verrate meine Ideale/ mich selbst...kann mir schon lange nicht mehr treu sein...kann mein Team nicht mehr ausreichend schützen...muss zugucken wie es heute hier und morgen dort eingesetzt werden...wie sie verheizt werden, wenn sie nicht aufpassen...wenn auch ich nicht aufpasse...das ist einfach ein Problem des gesamten Systems...nicht unbedingt meiner Klinik..aber jede Klinik macht da irgendwie mit....ich will das so nicht mehr...mir fehlt die Kraft um auf alle aufzupassen...mich immer wieder dagegen aufzulehnen...vielleicht wird sich das in der Zukunft irgendwann noch mal ändern...im Moment geht das aber nicht...es fällt mir selbst schwer auf mich allein acht zu geben...manch einer betitelte mich, nach dem bekannt wurde das ich geh, als Verräter...als Nutznießer...auch das fügt sich einfach nur wunderbar in das gesamte Bild, welches gerade in mir steckt...wer mir nach 26 Jahren vorwirft ich würde nur an mich denken - den kann ich eh nicht für ernst nehmen...es redet sich leicht über andere - ohne ihnen jemals zugehört zu haben...
ich kann es nicht in Worte fassen...in mir ist sehr viel Traurigkeit...aber auch Wut...Wut auf dieses ganze System...ein System was die Pflege immer kranker macht...was Pflegende immer kranker macht...was Pflegende wenn sie den Mund auf machen zu Jammerern werden läßt...
ich bin mit Idealen in diesen Beruf gegangen und kann diese nur noch erfüllen, wenn ich meine eigenen Bedürfnisse hinten an stelle...
man kann sich fragen, ob ich über all das nicht wieder stolpern werde, wenn ich jetzt den Standort wechsle...gleiches Thema andere Klinik...ja...glaube ich schon...und doch beginnt es damit, das ich erstmal nur für mich allein zuständig bin...ich muss nur auf mich acht geben...
in dieser Woche habe ich nun meine Schränke ausgeräumt...Stück für Stück kamen viele Erinnerungen zum Vorschein...Zettel die mir etwas bedeuten...all meine Namensschilder...diese ganzen Kugelschreiber, die sich über die Zeit in so einem Spind ansammeln...
und nun sind meine Fächer leer...
mein Herz ist voll - mit Emotionen...
in meinem Kopf turnen Erinnerungen...
ich bin traurig...nachdenklich...zufrieden...und irgendwie auch wieder nicht...
und ich freue mich trotz allem auf den neuen Weg den ich gehen werde...
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