Erinnerung 2

Diagnostik Oct 23, 2015

da ich ja schon mit dem Eintrag „Erinnerung“ angefangen habe meine Anfangssituation zu schildern, will ich versuchen zu berichten wie es weiter ging…

Am Dienstag nach Ostern bin ich gleich morgens um 8:00 zu uns in die Klinik in die gynäkologische Ambulanz gegangen…mein Gedanke war, so störe ich den Tagesbetrieb nicht so sehr…bis zu diesem Tag bin ich schon seelisch ein Wrack geworden…tausendmal in Gedanken gestorben und wieder auferstanden…ich dachte, eigentlich kann es nicht schlimmer werden…
in der Ambulanz bin ich dann wirklich sehr schnell dran gekommen…liegt vielleicht auch daran das ich ja auf einer gyn Station arbeite und somit auch jeden dort in der Ambulanz kenne, inkl. der Ärzte…

unsere Oberärztin und Spezialistin für Brusterkrankungen nahm mich sofort mit und meinte wir schauen uns das in Ruhe an…naja vom Sonobefund her was das wohl alles nicht wirklich klar…könnte bösartig…gibt aber auch gutartiges was sich so darstellt…
wir brauchen eine Mammographie…und ich soll mir bei meinem Frauenarzt eine Krankschreibung holen…ach ja und Mittwoch wird ne Stanzprobe genommen…

Mammographie am gleichen Tag um 11…also in gut ein einhalb stunden…also bin ich noch zu meinem Frauenarzt gefahren, der wollte sich das dann doch bitte auch noch mal anschauen…packte den Schallkopf drauf und fragte „was hat man ihnen gesagt?“…“könnte gutartig sein…könnte auch bösartig sein“…“okay…stellen sie sich mal auf nicht zu viel gutes ein…für mich sieht das recht eindeutig aus“…
ich fühlte mich in dieser Praxis immer gut aufgehoben und aus diesem Grund vertraute ich meinem Arzt in genau diesem Augenblick am meisten…und das sollte auch gut so sein…sonst wäre ich noch tiefer gefallen am Ende der Woche…

dann zurück in die Klinik…noch eben hoch auf Station…mit den Kolleginnen reden und kurz erklären…und weinen…mit zwei meiner Mädels bin ich tiefer im Gespräch gewesen…und eine davon begleitete mich hinterher wie selbstverständlich zur Mammographie…redete mit mir über Gott und die Welt und lies mich für einen Augenblick alles vergessen…zumindest in weitere Ferne rücken…

dann die Mammographie…
die Untersuchung ist nicht besonders angenehm…aber ertragbar…
das Ergebnis war der Witz…nach ca 10 Minuten kam eine Ärztin zu mir und wollte über den Befund sprechen…der sei unauffällig…da sie nichts…wie da ist nichts? ich kann es doch tasten…und alle anderen tasten es auch…sie nun auch…aber das Röntgenbild sei unauffällig…allerhöchstens ein bisschen vermehrter Aufbau von Brustgewebe…
Okay…

am nächsten Tag (Mittwoch) begleitete mich meine eine Freundin zur Stanze…mein Mann hatte ja gerade am 01.04. nen neuen Job angetreten…den wollte ich da jetzt nicht schon wieder irgendwie rausholen und einspannen…wer weiss schon was noch alles kommt…aber meine Auffassungsgabe ist auch nicht mehr die Beste gewesen…
also kam meine Freundin mit…ebenfalls aus dem Pflegebereich…seit vielen Jahren aber schon Sozialarbeiterin auf einer Palliativstation…
die Stanze? unangenehm…sieht aber gefährlicher aus als es ist…
die Worte der Oberärztin zum Thema Mammo waren auch noch „hast gehört…sieht gar nicht so schlecht aus…und das was ich hier als Stanzproben raushole sieht so erstmal auch okay aus“…die Worte meines Frauenarztes sassen zu dem Zeitpunkt schon tief in meinem Kopf…Freitag sollten wir wieder kommen zur Besprechung…bis dahin müsste der Befund da sein…

Freitag
meine Freundin fragt noch „soll ich dich abholen? Fahr bitte nicht mit dem Auto“…nee keine Panik wir treffen uns da…ich nehm die Bahn…naja was mach ich olle Ziege? ich kann doch fahren…ich weiss doch das es eh Krebs ist…also bitte…zur Klinik hin war auch alles gut…wir treffen uns in der Ambulanz und es ist komischer Weise in der Nachbetrachtung kein Mensch vom Personal da…bzw. nur eine Kollegin, die noch nicht so lange da arbeitet…komisch…wo sind die alle? Dann kommt auch schon meine Ärztin…mit einer stationären Akte in der Hand…nimmt sie schon ne Akte für die nächste Patientin mit in den Raum?…im Behandlungszimmer seh ich auf der Akte meinen Namen? Hä? versteh ich nicht…mein Hirn setzt im Denkprozess aus…warum?
die Ärztin schaut mich an und sagt „ich hatte so sehr gehofft das es gutartig ist…aber es ist doch Krebs“…ich schaue an ihr vorbei…ein Zug rast in meinen Kopf…wovon spricht sie? ich weiss es nicht…ich habe Krebs…KREBS…scheisse…mein Sohn ist 6…ich bin 41…und mein Mann…scheisse…dem will ich doch noch mindestens 30 Jahre auf den Geist gehen…scheisse…
ich sitz im falschen Zug…ich muss hier raus…ich will aussteigen…ich weiss nicht was noch alles besprochen wurde…
hormonpositiv, alles nicht das schlechteste…Brustamputation nicht besser als Brusterhaltend…Staging…und wohl noch einiges mehr…ich weiss es nicht…
was wollen die von mir…ich breche innerlich zusammen…ich seh mich sterben…in kleinen Stücken…es reicht jetzt…
ich sollte dann noch zum Lungeröntgen und zum Lebersono…und wir wollen von der Brust jetzt ein MRT…wir wollen sehen was da wirklich ist…Termin Montag…
es war die Hölle…ich hatte in der Tat das Gefühl ich sitze im falschen Zug und muss zusehen da wieder rauszukommen…

beim Röntgen
es dauerte ewig…meine Freundin geht kurz auf Station…bescheid sagen…
sie nahm mir ab mit meinem Mann zu sprechen…erklärte alles…und sie sagte ihm auch das er mich abholen müsse…ich sei wider anderer Absprachen mit dem Auto gefahren…
auf einmal steht meine Chefin vor mir…wo kam sie her? ich weiss es nicht…sie nimmt mich in den Arm, sagt es täte ihr so leid…ich seh den Schreck in ihrem Gesicht…die Anteilnahme…und es tut irgendwie gut…
warum nimmt mich hier niemand beim röntgen dran? warum dauert das? wie keine Anmeldung? ich versteh es nicht…
wieder Unruhe in mir…
von irgendwoher kommt ein Kollege den ich gut kenne, der in der Notaufnahme arbeitet…er geht in die Röntgenabteilung und kurz danach darf ich direkt geröntgt werden…keine Ahnung wie er das gemacht hat…aber egal…ich bekomme keine Luft mehr…und genau das passiert auch als die gute Frau sagt „atmen sie tief ein“…ich kann nicht tief einatmen…etwas raubt mir den Atem…sind das schon Lungenmetastasen?

weiter zum Leberultraschall
eine Ärztin nimmt uns in Empfang…sie wolle eben schallen…beginnt und erzählt mir das die Gallenblase vergrössert ist…was heisst das? wenn sie keine Schmerzen haben, nichts…okay, dann erzählen sie es mir bitte auch nicht…hm ja…nee sieht alles ganz gut aus…aber der Oberarzt kommt auch gleich noch mal zum schallen? Hallo? wieso kommt da jetzt noch einer? haben sie etwas gesehen? Nee, ich kann das nur noch nicht so gut…
oh ich fühle mich hier sehr sicher…
der Oberarzt kommt…ich oute mich das ich in der Klinik arbeite…er beginnt zu schallen…ja da sind Veränderungen an der Leber…am ehesten sind das Verfettungen…aber wenn sie schon mal hier sind dann wollen wir das ganz genau wissen…wir brauchen ein LeberMRT…
scheisse Lebermetastasen auch noch…

und so ging ich ins Wochenende…
mit meiner Freundin trank ich noch einen Kaffee…mein Mann kam und sie berichtete von allen Untersuchungen und Befunden und und und…und ich? ich hatte das Gefühl als würde ich alles zum ersten Mal hören…es ist Wahnsinn wie der Kopf sich schützt…wie er einfach abschaltet…zu macht…nicht mehr hin hört…ich hätte das bis dahin nicht für möglich gehalten…aber es ist in der Tat so…
noch heute macht mir der Gedanke an diese Zeit Angst…

ich verabschiede mich jetzt und werde in der nächsten Woche weiter aus meinen Erinnerungen berichten…

 

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