Jahresrückblick
da übermorgen die Schulferien beginnen und ich nicht wirklich weiss wie ich dann noch bis zum Ende des Jahres meine freie Zeit habe, versuche ich mich heute an meinen Jahresrückblick…
ich glaube dieses Jahr hat eine ganze Palette an Gefühlen für mich bereitgehalten…und hätte mir jemand im Januar gesagt was da kommt, den hätte ich für verrückt gehalten…und vor allem hätte ich nicht gedacht das ich so an meiner Aufgabe wachsen und reifen kann…
mein Jahr begann damit das ich im Januar meine Haus-/ Abschlussarbeit abgeben musste…ich war zu der Zeit in einer Weiterbildung zur Breast Nurse – Fachkrankenschwester für Brusterkrankungen…mein Thema „Wichtigkeit der Brustselbstuntersuchung…“
Foto´s aus dieser Zeit:
ich bin mir selbst fremd auf diesen Bildern…erkenne mich nicht wirklich darauf wieder…es erscheint wie aus einer anderen Zeit…aus einem anderen Leben…ein Leben in dem ich mich noch für unangreifbar hielt…
im April dann das was vielleicht schon 6 Monate vorher seinen Anfang genommen hat…denn im November war ich schon einmal beim Arzt weil ich einen furchtbaren Juckreiz auf und in der linken Brust verspürte…ausserdem ein permanentes Spannungsgefühl da war…damals konnte allerdings nichts festgestellt werden…
ja, nun im April war das anders…ich hab den Knoten selbst getastet und irgendwie war mir von Anfang an klar was das bedeuten würde…es hat mir den Boden unter den Füssen weggerissen…und ich bin dankbar dafür das mich sehr viele Menschen, jeder auf seine eigene Weise, aufgefangen haben…sicherlich haben sich Menschen aus meinem Leben entfernt, aber andere haben dadurch einen ganz neuen Platz bekommen…Freunde erwiesen sich als wahre Freunde…
mein letztes Foto mit Haaren…lange hatte ich innerlich noch die Hoffnung das ich vielleicht um eine Chemo rum komme…leider sollte es nicht so sein…meine größte Angst vor der Chemo bestand nie darin das ich meine Haare verliere, sondern das es mir einfach nur schlecht darunter gehen könnte…und zum Glück hat sich das so überhaupt nicht bestätigt und es wurde im Vorfeld alles dafür getan das das nicht passiert…ich weiss noch das ich in meine erste Chemo absolut angespannt gegangen bin…meine Freundin Uli war fast die ganze Zeit bei mir…und als die Chemo drin war, da war ich doch so ein bisschen enttäuscht…“das soll es nun gewesen sein?…deshalb hab ich mich so verrückt gemacht?“…in der Tat sollte es so sein das ich relativ gut durch die Chemo gehen konnte…natürlich hatte ich so einiges an Nebenwirkungen…aber nichts was mich wirklich umgehauen hat…es gab Tage da hab ich alles verflucht und hätte am liebsten alles hingeschmissen…besonders unter der Paclitaxel…als die Füsse nicht mehr wollten…ich anfing zu fallen…die Fussnägel sich ablösten…ich nichts mehr schmecken konnte…
und nichtsdestotrotz…ich habe es durchgezogen…bis zum Ende…und bin sogar ein bisschen stolz auf mich…(ich seh schon wieder meine Freundin Uli vor meinem geistigen Auge, die den Kopf schüttelt und sagt „natürlich kannste stolz auf dich sein“ 🙂 )
allerdings muss ich sagen das mir bei der Farbe orange oftmals immer noch spontan spuckig wird 😉
es gab Tage da war meine Welt einfach nur schwarz…ich wollte und konnte kein Licht mehr sehen…zu viele Gedanken überschlugen sich in meinem Kopf…keinen konnte ich zu Ende denken…es ist nicht einfach sich seinen Ängsten zu stellen…sie zuzulassen und dann wegzuschicken um auch das Licht wieder rein zulassen…aber ich habe es geschafft…
und auch jetzt ist es immer noch so, das wenn es mir mal schlecht geht, ich die Gedanken versuche zuzulassen um sie dann bewusst wegzuschieben…ich habe gelernt das ich nicht immer lächeln muss…das ich traurig sein darf…das ich wütend werden kann…
irgendwie hat so eine Krankheit auch was positives…ich glaube sogar ganz viel…wenn man es denn zulassen kann…
ich habe festgestellt das ich ein wundervolles Team habe…meine Mädels haben mir sehr viel Halt gegeben…haben mir immer gezeigt das ich auf Arbeit willkommen bin…auch wenn ich manches mal mit komischen Gefühlen hingefahren bin…einige haben mir über die komplette Zeit immer wieder Nachrichten zu kommen lassen…
meine Freunde waren/ sind immer für mich da…sie sind es nie leid gewesen, wenn ich zum hundertsten Mal über die gleiche Sache gejammert habe…sie haben mich an ihrem Leben teil haben lassen…haben mir von ihren Problemen, Sorgen, Ängsten und Plänen erzählt…das hat mir in sofern geholfen das meine Krankheit für mich nicht mehr ganz so im Mittelpunkt stand…das ich mich auch mit den Problemen anderer beschäftigen konnte…sie haben mich einfach ins Leben gezerrt…
Mein Mann und mein Sohn haben grossartiges geleistet in dieser Zeit…besonders Paul…der mich an den Chemotagen nachmittags immer umsorgt hat wie ein Grosser…“Mama, du musst deine Tabletten nehmen….hier hast du was zu trinken…möchtest du was essen?“…
allerdings ist dadurch auch passiert das er kaum noch bei Oma und Opa schlafen wollte…ich glaube er hatte immer die Angst das ich Hilfe gebrauchen könnte und er nicht da ist…
und mein Mann? Er ist einfach das Beste was mir in meinem Leben passieren konnte…
in Worten nicht auszudrücken…ich glaube die Krankheit hat uns noch enger zusammen geschweisst…wenn das überhaupt geht…vieles hat er versucht abzunehmen, bevor ich es ausgesprochen habe…und nicht zu vergessen das er als die Krankheit bekannt wurde, gerade den Arbeitgeber gewechselt hatte…ich weiss wie oft ich ein schlechtes Gewissen hatte wenn er von der Arbeit kam und zu Hause noch so viel machen musste, weil ich einfach nichts geschafft hatte…und er, der das immer mit einem lächeln quittierte, das mir zeigte das alles in Ordnung ist so wie es ist…
viele Male waren Sonnenbrille und Mütze/ Tuch im Sommer mein bester Freund…
es war so angenehm sich dahinter zu verstecken…keinen sehen lassen das du krank bist…das du dir Sorgen machst…das du Angst hast…
oft ein lächeln aufgesetzt obwohl mir nicht zum lächeln war…
es gab Tage da war mir alles egal…ich voller Trotz…der Welt den Mittelfinger zeigend…aber es gab auch viele sensible Momente…in denen ich mich am liebsten drinnen verkrochen hätte…aber ich bin immer raus gegangen…habe mich immer dem Leben gezeigt und gestellt…mit erhobenem Kopf…habe neue Menschen kennen gelernt…Frauen, mit gleichem Schicksal…gegenseitig hat man sich beigestanden…Trost gespendet…Hoffnung gegeben…ich habe an einem Fotoshooting teil genommen…und hatte, mit mir fremden Frauen, einfach nur Spass…
das alles hat geholfen mich mit meiner Krankheit zu arrangieren…sie zu akzeptieren…und anzunehmen…
dieses Bild hatte ich im Rahmen meiner Abschlussarbeit entworfen …und jeder einzelne Punkt davon hat auch mich in meiner Krankheit beschäftigt…um so glücklicher bin ich, das ich an der Krankheit gewachsen bin…das sie mir momentan keine Angst macht…wie lange das so ist wird man sehen…und sicher wird es immer mal dunkle Momente geben….aber was soll´s…wichtig ist das auf Regen immer Sonne folgt…
einige Menschen haben in diesem Jahr die Welt verlassen…da ist mein Onkel der einem Hirntumor erlegen ist…meine Kollegin Irena, die ebenfalls BK hatte…der Opa meines Mannes…
dann mein Dad der an einem Freitag morgen einen Herzinfarkt hatte…die Sorge um ihn…diverse Stents die in mehreren Sitzungen gesetzt werden mussten…um so glücklicher bin ich das alles gut geklappt hat…das es ihm wieder besser geht…
dann meine Ma…die sich um meinen Dad und mich sorgen musste…die sicherlich auch oft an ihre eigene Krankheit erinnert wurde…und trotzdem immer geholfen hat, wenn es ihr möglich war…
ich habe in diesem Jahr auch den Sport für mich entdeckt…seit September gehe ich drei mal die Woche ins Sportstudio…und liebe es…
mein Sohn ist zur Schule gekommen…und meistert alles so super…er macht mich einfach nur stolz…besonders weil er so oft zurück stecken musste und nie gemeckert hat…
Tcha, und nun neigt sich das Jahr dem Ende entgegen und meine Therapie auch…vor mir liegen noch 3 Bestrahlungen, hinter mir liegen 25…dann war es das…gut ich muss das Tamoxifen noch für 10 Jahre nehmen…aber das ist halt so…ich schliesse meine Therapie noch in diesem Jahr ab…
meine Hoffnung?
das alles gut geht…das ich nichts mehr von dieser Krankheit höre…
und wenn doch?
Dann mache ich mir dann Gedanken drum…
wie mein Mann schon ganz zu Beginn sagte „im Moment gibt es keine Gefahr für mich“…
seht ihr das dunkle auf meinem Kopf?
das sind meine Haare 🙂 …mein Kopf wird wieder dunkel…und es wird die Zeit kommen, da werden mir die Bilder ohne Haare fremd sein 🙂
aber sie werden immer ein Teil von mir bleiben…
zu Beginn des neuen Jahres werden ich mich aus sämtlichen Gruppen, in denen ich bin, zurück ziehen…ich brauche eine Zeit in der Krankheit keine Rolle spielt…in der ich wieder zur Ruhe kommen kann und nicht jeden Tag von neuen Schicksalen lese…
meinen Blog werde ich weiter führen…in welchem Maße das wird sich zeigen…sicherlich wird es dann viel mehr um das Leben, als um die Krankheit gehen…
so das soll es für heute sein…
ich wünsche allen wundervolle Weihnachten…und nehmt euch Zeit für die Menschen die euch am Herzen liegen…
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